#BigDreams

#BigDreams ist ein Kollektiv das sich seit eineinhalb Jahren mit dem Fall von Brian (siehe Infobox) auseinandersetzt und sich eigens dafür formiert hat. Brian selber ist Mitglied von #BigDreams und die Formate wurden gemeinsam mit ihm konzipiert und so weit wie möglich gemeinsam umgesetzt.

#BigDreams ist auch der Name des gemeinsamen Kunstprojekts über Menschenrechte, Medienkritik und strukturellen Rassismus. Das Projekt bewegt sich an der Schnittstelle von Kunst, Politik und Aktivismus. Mit ko-kreativen künstlerischen Mitteln versucht das Kollektiv, eine neue Perspektive auf Brians Fall einzunehmen, da in der unnachgiebigen Auseinandersetzung eine vorurteilsfreie Betrachtung fehlt. Brian kommt dabei selbst zu Wort. Mit ihm sowie über ihn und seinen Fall hinaus will das Kollektiv damit gesellschaftlich relevante Diskurse neu in Gang bringen.

Teil von #BigDreams sind Expert*innen aus verschiedenen Bereichen wie Medienwissenschaften, Psychologie, Journalismus, Rechtswissenschaften, Kunst und Kultur, Sozialwissenschaften und intersektionale Forschung, die das Projekt spezifisch unterstützen: Manche sind Mitwirkende, andere Gäste, sie leiten Diskurse an, setzen sich künstlerisch mit verwandten Themen auseinander oder stehen dem Kollektiv beratend zur Seite.

Brian

Brian ist der bekannteste Häftling der Schweiz. Keine Zeitung, kein Fernsehformat in der Schweiz hat nicht über den «Fall Carlos» berichtet. Im November 2019 stellt Brian öffentlich klar, dass er nicht «Carlos» heisst, sondern Brian. Dieses Statement ist der Anfangsimpuls zum Projekt #BigDreams. In einem Brief schlagen die Initiator*innen Brian vor, sich dem Ziel – aus «Carlos» wieder Brian zu machen – auch mit künstlerischen Mitteln anzunähern. Brian willigt ein und seither steht er in engem Kontakt mit den Initiator*innen und beteiligt sich trotz Isolationshaft aktiv am künstlerischen Prozess.

#BigDreams eröffnet ein neues Kapitel im Medientheater um Brians Fall. Dieses Mal folgt das Script nicht der Dramaturgie der Boulevardpresse, sondern eignet sich diese an. Wie kann und muss eine demokratische Gesellschaft darauf reagieren? Dieser Frage geht das Projekt #BigDreams mit den Mitteln der Kunst in fünf Akten nach.

Involvierte Personen

Daniel Riniker, Sabina Aeschlimann, tobibienz, Benjamin Burger, Brian Keller, Daniela Guse, Eva Willenegger, Mariana Grünig, Victoria Papagni, Bite Toys, Gonzalo Silva, Hannah Gottschalk, Michael Meili, Yuvviki Dioh, Rahel El-Maawi, Mbene Mwambene, Edwin Ramirez, Fatima Moumouni, Jacqueline Daunois, Sebastian Aeschlimann, Anouk Haueter, David Mühlemann, Rahel El-Maawi, Jolanda Spiess-Hegglin, Dr. Brigitte Hürlimann, Dimitri Rougy, Brandy Butler, Thomas Galli, Joshua Amissah, Lelah Neary, Elmira Oberholzer, Julie Fischer, Fritzi König, Jamin Eberhard, Paula Ursprung, Mohamed Wa Baile, Claudia Wilopo, Reto Volkart, Wilson Adebayo, Giulia Cudini, Theater Neumarkt: Dramaturgie, Kommunikation, Werkstätten & Ensemble, Helmhaus Zürich, humanrights.ch, Kunstraum Walcheturm

Décentrer les pratiques et les postures: une recherche sur la blanchité à l’œuvre dans la création culturelle romande

«La blanchité» bzw. das Weiss-Sein im Kulturschaffen in der Romandie: Das Rechercheprojekt des Théâtre de l’Usine (TU) Genf interviewt vom Oktober 2020 bis Januar 2021 diverse PoC Akteur*innen der lokalen Kulturszene, die systemischen Rassismus erleben. Mechanismen der Diskriminierung werden identifiziert und aufgedeckt – Mechanismen, die zu Abwesenheit, Ablehnung oder schlichtem Vergessen von PoC und ihren Erfahrungen, Perspektiven und Geschichten führen. Aus den Interviews entnimmt das TU konkrete antirassistische und dekoloniale Arbeitsweisen und Kommunikationsformen. Im Sinne einer fairen Praxis entwickelt das TU damit für sich selber und darüber hinaus für die Kulturszene der Romandie Strategien für mehr Diversität bei Künstler*innen, Mitarbeiter*innen, Programm und Publikum.

Seit 2020 veranstaltet das Théâtre de l’Usine mit Diskussionen, Konferenzen, Treffen mit Künstler*innen und Workshops ein kulturelles Vermittlungsprogramm als Labor für kritisches Denken. Für «Décentrer les pratiques et les postures» führt die Projektarbeitsgruppe von Léa Genoud, Kayije Kagame, Hélène Mateev, Ramaya Tegegne und Fatima Wegmann die Interviews und erarbeitet daraus eine Publikation, die im Mai 2021 mit der Öffentlichkeit geteilt wird. 

People of Colour (PoC)

Zur Bedeutung der Selbstbeschreibung PoC siehe das Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*innen.

Théâtre de l’Usine: Wir ziehen den soziologischen Begriff «racisé» (Franz. für «rassifiziert», wobei auf Deutsch «PoC» bevorzugt wird) dem Begriff «Menschen mit Migrationshintergrund» vor, weil er sich genauer auf die Phänomene im Zusammenhang mit Rassismus bezieht, die wir in unserem Projekt hervorheben wollen. Nach Ansicht des Kollektivs Décolonisons les arts! gibt es «Rasse» nicht, aber Gruppen und Einzelpersonen unterliegen einer Rassifizierung: einer sozialen Konstruktion, die mit einer historischen und evolutionären Definition von «Rasse» zusammenhängt. Rassifizierungsprozesse sind die verschiedenen rechtlichen, kulturellen, sozialen und politischen Mittel, durch die Einzelpersonen und Gruppen Eigenschaften oder Stigmata erwerben. Weiß zu sein ist ein soziales und kulturelles Kennzeichen, das mit Privilegien und Rechten verbunden ist.

Mehr Informationen

www.theatredelusine.ch

Bild: Performance d’Anna Tjé, lors de „Rupture: Dissocier, transformer, (dé)construire les récits“ au Théâtre de l’Usine, octobre 2019 © Théâtre de l’Usine

Kit de Survie en territoire masculiniste

Pintozor Production nimmt ihr Publikum mit auf einen feministischen Audiowalk durch die Stadt. In «Kit de Survie en Territoire Masculiniste» geht es auf die Suche nach Überlebensstrategien für Frauen in diesem von Männern geplanten und gebauten Raum. Der Audiowalk wurde in Residenzen ko-kreativ mit der Urbanistin Carla Jaboyedoff erarbeitet und feierte im Januar 2021 in Genf am Théâtre du Grütli Premiere.

Das Projekt setzt sich mit den genderspezifischen Strukturen auseinander, die Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum einschränken. Im feministischen Kampf gegen Gewalt an Frauen wechselt es die Perspektive und nimmt diejenige eines Antagonisten ein, verkörpert durch einen Incel (siehe unten). Im Audiowalk hört das Publikum eine Frauenstimme im inneren Dialog mit dem Incel. Dabei versetzt es sich in die Rolle des Incels und folgt einer fremden Frau, der Performerin, durch die Strassen. Der Walk beginnt und endet im Theater, wo ein Austausch über die Performance stattfindet.

Pintozor Production von Marion Thomas, Maxine Reys und Audrey Bersier aus Bussigny VD arbeitet mit ihren Projekten an den Schnittstellen von arts vivants, Zukunft, Umwelt und Interkonnektivität. In ihren Projekten produzieren sie multiperspektivische Narrative und versuchen die Ränder unserer Welt neu zu definieren und mit Träumen und Empathie zu durchziehen. 

Incel

Incels («involuntary celibate» > Englisch für unfreiwillig zölibatär lebende Person) sind junge heterosexuelle Männer, die sehr wenig oder gar nie Sex haben. Sie versammeln sich im Internet um eine gemeinsame Sache: den Frauenhass. Incels betrachten Frauen als hauptverantwortlich für ihren Zustand. Wiederholt wurden von ihnen Attentate verübt, wie jenes von Isla Vista (Kalifornien) im Jahr 2014.

Konzept, Dramaturgie, Text: Marion Thomas Konzept, Dramaturgie, Performance: Maxine Reys Konzept, Technik, Performance: Audrey Bersier Wissenschaftliche Mitarbeit: Carla Jaboyedoff Künstlerische Beratung: Yan Duyvendak Koproduktion: Théâtre du Grütli Unterstützt von: Bourse Geyser, Ernst Göner Stiftung, Pro Helvetia, m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: © Pintozor Productions

home made climate conference

Das Kollektiv I AM A PERMANENT MEMBER von Beatrice Fleischlin, Nicolas Galeazzi und Andreas Liebmann beschäftigt sich intensiv mit nachhaltigen Praktiken und arbeitet seit 2001 an experimentellen Performanceformaten. In ihrer aktuellen Zusammenarbeit erforschen sie die fragilen Existenzmöglichkeiten in den Ruinen des Kapitalismus und arbeiten an der Möglichkeit kollektiven Überlebens. Sie nutzen und entwickeln dabei Tools und Techniken, mit denen sie gemeinsam über Distanz arbeiten können. Sie kultivieren ein achtsames und ressourcenschonendes Handeln auf verschiedenen Ebenen (Zeit, Beziehungen, Geld, fossile Ressourcen). Zudem teilen sie, ihre Forschung und Erfahrung im Rahmen von Workshops und Teachings. Ihre Projekte sind immer auch eine Einladung zum gemeinsamen Entwickeln von Zukunft. 

Mit «home made climate conference» erarbeitet I AM A PERMANENT MEMBER ein theatrales Forum, um gemeinsam mit dem Publikum zu erforschen, wie wir praktisch, sozial und emotional mit dem Leben in der Klimakrise umgehen. In immer wieder anderen Privatwohnungen entsteht ein experimenteller Raum, in welchem unsere «hausgemachte ökologische Performance» und deren Auswirkung auf das gesamte Ökosystem diskutiert wird. Die «home made climate conference» soll sowohl poetisch wie politisch die Tragweite dieser Krise erfahrbar machen und Handlungen entwickeln, die Aussichten auf eine lebbare Zukunft ermöglichen.

Konzept: I AM A PERMANENT MEMBER Performance: Beatrice Fleischlin, Nicolas Galeazzi, Andreas Liebmann Sound: Martin Gantenbein Produktionsleitung: Elena Conradt / produktionsDOCK Kollaboration mit: Architekt*innen von Countdown 2030 und Alma Maki Koproduktion: Kaserne Basel, KlimaKontor Basel, Neighbourhub Fribourg, Tårnby Park Studio Kopenhagen Unterstützt von: m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste, Fachausschuss Tanz & Theater BS/BL

Bild: petit déjeuner en pleine / GASTSTUBE° im Atlantischen Ozean, 2006 © I AM A PERMANENT MEMBER

PARASITE

Im Rahmen des zweiten Zyklus des Theaterhaus Gessnerallee kuratiert von der Künstlerin und Veranstalterin Lhaga Koondhor schafft das Kollektiv F96 mit «PARASITE» einen Spielplatz, ein Labor für Künstler*innen und Referent*innen aus diversen Bereichen. Von Dezember 2020 bis Ende Januar 2021 werden fortlaufend Beiträge verschiedenster Art online publiziert, die parasitäre Strukturen und soziale Bewegungen untersuchen.

Wie kann parasitäres Denken mit bekannten Strukturen brechen? Wie und was entsteht aus diesen Brüchen? «PARASITE» widmet sich dem Parasit einerseits als Schädling, andererseits als Impulsgeber*in für Veränderung und Co-Evolution. Was können wir von diesem ambivalenten Konzept für unser kulturelles und gesellschaftliches Zusammenleben lernen und wie können wir dieses fruchtbar nutzen? 

Während acht Wochen wächst und pulsiert dieses temporäre parasitäre Archiv als autonomer Organismus, wird von immersiven Sounds und visuellen Störungen überflutet – bis hin zur Selbstauflösung. 

Aufgrund der aktuellen Situation fungiert die Website als Alternative zur Durchführung des Projekts im physischen Raum.

Mehr Informationen

gessnerallee.ch

Mit: Angela Addo, Tonie Brunschwiler, Aga Pędziwiatr & Rafał Pierzyński / DIVAS, Lara Jil Dreyer & Yunus Ersoy & Josef Mehling, Sarah Farina, Regine Helbling & Eva-Maria Würth, I-VYE, Noria Lilt, Miss Sheitana, Leila Moon, Fatima Moumouni, Paranoia City, Sally Schonfeldt, Deva Schubert & Juan Felipe Amaya Gonzáles, so sindse, Cinthya Soto Unterstützt von: m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: © Kollektiv F96

Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen

Seraina Dür und Jonas Gillmann machen Theater- und Kunsträume zum Übungsfeld. Dafür schaffen sie performative Settings, die von nicht-menschlichen und menschlichen Akteur*innen gestaltet und bespielt werden. In ihrem «Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen» üben sie Erzählungen für ein künftiges, weniger anthropozentrisches Miteinander. Zusammen mit fünf Tauben kreieren sie als arten-übergreifende Theatercompagnie Narrative, die sich über die Grenze Natur-Kultur hinwegsetzen. Damit schaffen sie Räume, in denen es möglich ist, sich als verstrickt zu verstehen mit der Umwelt, in der wir leben.

«Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen» ist ein mehrteiliges Projekt und entsteht in Zusammenarbeit mit dem Neumarkt Zürich. Bisher entstanden die folgenden Ausgaben: «Theater als Taubenschlag» (Neumarkt Zürich, 2019), «Theater als Agilitypark» (Neumarkt Zürich, 2020), «Taubenzimmer» (Helmhaus Zürich, 2020) und «Rough Love, Erzählen mit Tauben» (Theater Basel, 2021).

Rough Love. Erzählen mit Tauben

Im Januar und Februar 2021 wohnen und arbeiten die fünf Tauben, Seraina Dür und Jonas Gillmann in der Alten Billettkasse vom Theater Basel. Durch eine Flugklappe fliegen die Tauben raus in die Stadt und bringen manchmal ihre Stadtfreundschaften mit. Die Tiere, Seraina und Jonas erhalten regelmässig Besuch von der Künstlerin Nicole Schuck. In ihrem Projekt «Geschätzte Tiere» stehen diesmal die Tauben im Zentrum der Recherche: Vor Ort entstehen Skizzen, die sie zu Zeichnungen ausformt, auf Stoff druckt und dann als Flaggen im Stadtraum flattern lässt. 

Nicole Schuck beschäftigt sich zeichnerisch und erzählerisch mit Wildtieren zwischen natürlicher Umgebung und urbanen Lebensräumen. Ihre Arbeitsweise lotet die Schnittflächen zwischen Kunst und Wissenschaft aus. Die unterschiedlichen Erkenntnismöglichkeiten dieser beider Sparten inspirieren sie dazu, Naturschutz, Klimawandel und Werteökonomie künstlerisch zu befragen.

Die Raumarchitektur entsteht in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Anne Linke. Ausgehend vom Gedanken einer Stadt als urbanem Ökosystem interessiert sie sich für Mensch-Tier-Beziehungen und für feministische Perspektiven auf Architektur und Raum. Ihr Kurzfilm «PIGEONS AND ARCHITECTURE» wurde auf dem European Media Art Festival 2020 ausgezeichnet.

Konzept: Seraina Dür und Jonas Gillmann Zeichnungen/Flaggen «Geschätzte Tiere»: Nicole Schuck Architektur Taubenschlag: Anne Linke Beratung Narration: Sara Bernasconi Unterstützt von: KlimaKontor Basel, m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: © Seraina Dür, Jonas Gillmann

Schwar zenbach Kompl ex – eine andere Zukunft erinnern

Wie haben die Schwarzenbach-Initiative sowie die Gewalt des Gastarbeiterregimes Migrant*innen, ihre Nachkommen sowie die Dominanzgesellschaft geprägt? Wie wirkt diese Geschichte bis heute in den interkulturellen Beziehungen und in der Migrationspolitik weiter? Wie liesse sich Geschichte aus migrantischer und antirassistischer Perspektive erzählen? Und wie können wir historische Ungerechtigkeit im Hinblick auf ein demokratisches Zusammenleben in der postmigrantischen Schweiz in einem kollektiven und vielstimmigen Prozess erinnern, verhandeln und aufarbeiten?  [ké*sarà]

Das transdisziplinäre Kollektiv [ké*sarà] entwickelt ein künstlerisch-ethnografisches Langzeitprojekt zu Migration und Rassismus in der Schweiz. Ausgehend vom 50. Jahrestag der Schwarzenbach-Initiative, die am 7. Juni 1970 nur knapp abgelehnt wurde (>siehe unten), startete der «Schwar zenbach Kompl ex» im Sommer 2020 mit einem Kickoff am Zürcher Theaterspektakel. Seit September 2020 organisiert [ké*sarà] regelmässige öffentliche Erinnerungswerkstätten. Zeitzeug*innen, Alltagsexpert*innen, Aktivist*innen, Kulturschaffenden und Forschende arbeiten darin gemeinsam an einer vielstimmigen und rassismuskritischen Erinnerungspolitik und -praxis. Neue Rechercheergebnisse präsentiert das Projekt am Theaterspektakel 2021 in einem Cluster aus installativen, performativen und diskursiven Formaten. Zudem dokumentiert eine Projektwebseite den kollektiven Entstehungsprozess: Hier findet man Video-Interviews mit Zeitzeug*innen und Fachexpert*innen, Archivmaterial und Analysen zum Thema. «Schwar zenbach Kompl ex» macht erfahrbar, wie ein alternatives Archiv öffentlich entsteht. So schafft das Projekt Räume für die gesellschaftliche Notwendigkeit, Gerechtigkeit wiederherzustellen.

Das Kernteam von [ké*sarà] mit Rohit Jain, Sozialanthropologe aus Bern, Paola De Martin, Historikerin / Aktivistin TESORO aus Zürich und Tim Zulauf, Theaterschaffender und Autor aus Zürich, organisiert und koordiniert den Prozess und die Umsetzung des Projekts. Laufend wird die Arbeitsgemeinschaft mit Kunstschaffenden, Forschenden, Aktivist*innen und Zeitzeug*innen erweitert, die ihre Expertisen und Visionen einbringen und gemeinsam Aktivitäten umsetzen. 

Schwarzenbach-Initiative

Lanciert vom Zürcher Nationalrat James Schwarzenbach kam am 7. Juni 1970 die sogenannte «Überfremdungs-Initiative» zur Abstimmung. Die Initiative verlangte, den Ausländeranteil an der Schweizer Bevölkerung auf zehn Prozent zu reduzieren. Sie wurde  mit 54 Prozent nur knapp abgelehnt. Stimmberechtigt waren damals noch ausschliesslich Männer. Bei einem Ja hätten 300’000 mehrheitlich italienische Gastarbeiter*innen das Land hätten verlassen müssen. Die Initiative und der knappe Ausgang der Abstimmung machten die strukturelle Gewalt des damaligen «Gast-»arbeiter*innen-Regimes sichtbar: Migrant*innen wurden in engen staatlichen Bewilligungssystemen verwaltet, waren oft in Baracken unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht, durften ihre Familien nicht nachziehen, wurden immer wieder aus Geschäften verwiesen und tagtäglich beleidigt. Als Folge der Ölkrise von 1973 verloren Hundertausende ihre Arbeit und mussten das Land dann – im Sinne eines Konjunkturpuffers – trotzdem verlassen.

Mehr Informationen

www.schwarzenbach-komplex.ch

Organisation, Koordination, Umsetzung: Rohit Jain, Paola De Martin, Tim Zulauf Gestaltung: Guido Henseler (Video), Urs Hofer (Website-Programmierung), Norm / Manuel Krebs & Dimitri Bruni (Grafik) Koproduktionspartner: Zürcher Theater Spektakel Unterstützt von: m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: Ortsbegehung Ristorante Cooperativo, Kickoff Schwar zenbach Kompl ex, 15. August 2020 ©ZTS Kira Barlach

This is not theatre, this is a f*** protest!

Carrie Shelver und Antje Schupp verbinden kreative Strategien von Protest und Performance. In ihrem Projekt «This is not theatre, this is a f*** protest!» untersuchen sie, was passiert, wenn eine kreative politische Aktivistin und eine politische Kreativschaffende ihr Wissen zusammenführen. Gemeinsam gehen sie der Frage nach, wie weit man Protest inszenieren und Proteststrategien in die Kunst einfliessen lassen kann. Vielleicht entsteht dadurch ein Ereignis, das die Grenzen zwischen «Performance» und «Protest» völlig verwischt? Das «Publikum» wird zu «Teilnehmer*innen» und die «Show» verwandelt sich in einen «Workshop», der am Ende zu einem «Protest» werden könnte. Dritter Mitstreiter ist der Szenograph Christoph Rufer, der den Arbeitsprozess als Ausstellung realisiert.

Carrie Shelver ist engagierte Feministin, Aktivistin und Menschenrechtlerin mit über zwanzig Jahren Erfahrung. Sie ist eine kreative Denkerin und liebt die Herausforderung, neue Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Unter anderem arbeitete sie lange im Bereich der genderspezifischen Gewalt in Südafrika sowie in anderen Ländern im Südlichen Afrika wie Zimbabwe, Angola, Malawi oder Mozambique. Seit zwei Jahren arbeitet Carrie bei der Sexual Rights Initiative, einer feministischen Koalition, die sich für sexuelle Rechte auf der Ebene der UNO Menschenrechte einsetzt.  

Antje Schupp ist Regisseurin, Performerin und Autorin. Sie interessiert sich für politisches Theater, inszeniert spartenübergreifend und arbeitet in internationalen Koproduktionen sowie auch mit nicht-professionellen Darsteller*innen. Inszenierungen von Schupp waren unter anderem am Theater Basel, Schauspielhaus Zürich, Theater am Neumarkt Zürich, an der Kaserne Basel oder am Staatstheater Augsburg zu sehen. Sie zeigte ihre Arbeiten an den Festivals Berliner Theatertreffen „Shifting Perspectives“, Antigel Genf, Politik im Freien Theater oder Impulse Theater Festival. Antje Schupp ist Preisträgerin der Festspiele Zürich 2020.

Christoph Rufer lebt in Berlin und Zürich und studierte von 2002 bis 2006 Scenographical Design an der Zürcher Hochschule der Künste. Von 2005 bis 2009 war er als Ausstattungsassistent an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz und anschließend bis 2011 am Thalia Theater Hamburg engagiert. Seit 2011 ist er freischaffender Bühnen- und Kostümbildner und arbeitete mit Künstlern wie Lars Eidinger, Schorsch Kamerun, Johannes v. Matuschka, Anne Habermehl und Alia Luque zusammen. Mit Antje Schupp verbindet ihn inzwischen eine kontinuierliche Zusammenarbeit in unterschiedlichsten Projektkonstellationen. Über die Arbeit am Theater hinaus arbeitet Christoph Rufer an eigenen Projekten in den Bereichen Design und Innenarchitektur.

In ihrer Zusammenarbeit streben Shelver, Schupp und Rufer nach der bestmöglichen gemeinsamen Praxis von Kunst und Aktivismus. Sie wenden feministische Arbeitsmethoden an, ermöglichen künstlerische Mitgestaltung und weiten ihr Wissen über politische Arbeit in die (Un-)Zivilgesellschaft aus.

Mehr Informationen

www.antjeschupp.de

Trailer

Konzept, Performance, Workshop: Antje Schupp, Carrie Shelver Szenografie: Christoph Rufer Mitarbeitende: tba Unterstützt von: m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: © Antje Schupp

WALLMAPU EX SITU

Stellen Sie sich vor, folgende Akteure unterhalten sich im Rahmen einer Konferenz miteinander: die Panamericana-Autobahn; der Brombeerbusch, von europäischen Siedler*innen zum Zweck der Grenzziehung eingeführt und heute zur Plage gewordener Neophyt; sein Nachfolger, der Stacheldraht, im amerikanischen Westen zur Einhegung des zum Privateigentum erklärten Landes erfunden; und der Litre, ein einheimischer Baum, dem in der Tradition der Mapuche eine Wächterfunktion zusteht, da er Eindringlingen einen starken Hautausschlag bescheren kann…  (Trop cher to share)

Das Performance-Kollektiv Trop cher to share schafft mit «Wallmapu ex situ» eine Serie digitaler Konferenzen mit Expert*innen zur Region und Geschichte des Wallmapu (siehe unten). Im virtuellen Raum wird darüber spekuliert, wie menschliche und nichtmenschliche Bewohner*innen und Akteur*innen dieser Gegend repräsentiert werden und wie sie miteinander in Dialog treten könnten. Die für den Live-Stream der Konferenzen organisierten analogen Veranstaltungen fanden 2020 in Bern und Zürich statt. Das Publikum wohnte der Live-Moderation der Online-Konferenzen bei. Zwei Simultanübersetzer*innen übersetzten vom Spanischen ins Deutsche. Die letzte Konferenz im Januar 2021 wurde ausschliesslich online durchgeführt.

Trop cher to share ist als transdisziplinäres Künstlerkollektiv mit ständig wechselnden Mitgliedern zwischen Bern und Zürich aktiv. Die Künstlerin, Choreografin und Performerin Nina Willimann und der Videokünstler und Performer Aldir Polymeris bilden derzeit den Nukleus der Gruppe. Ihre Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Tanz, Performance, Installation und Intervention. Seit 2011 haben sie vier abendfüllende Shows und zahlreiche Arbeiten an spezifischen Orten geschaffen, die oft in Partnerschaft mit anderen Künstler*innen, Expert*innen und Communities produziert wurden. Ihre Projekte wurden in Theatern, Kunsträumen, Museen, Festivals und öffentlichen Räumen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Chile und der Elfenbeinküste gezeigt.

Wallmapu,
das ursprüngliche Territorium der indigenen Mapuche im Süden von Chile, heute Araucanía genannt, ist von hier aus gesehen eine periphere Region auf der anderen Seite des Globus. Seine Landschaft wurde jedoch im Lauf von über vier Jahrhunderten von globalen, insbesondere westlichen Interessen geformt. Auch die Schweiz hat Spuren hinterlassen und ist bis heute mit der Region historisch und wirtschaftlich verstrickt. Zwischen 1883 und 1890 migrierten Tausende Schweizer*innen aufgrund von Armut und Perspektivlosigkeit nach Südamerika. Heute prägen das Wallmapu neben der Landwirtschaft Monokulturen transnationaler Forstkonzerne, die hauptsächlich Baustoffe und Zellulose (der Rohstoff für Papier und Verpackungsmaterial) produzieren und in alle Welt exportieren.

Künstlerische Leitung & Koordination: Aldir Polymeris & Nina Willimann  Kernteam: Jose Cáceres Mardones, Mara Meier, Paula Baeza Pailamilla Dramaturgische Begleitung: Johanna Hilari Repräsentant*innen: Carla Llamunao & Katherina Palma Millanao / Colectivo Chilliweke, Jose Cáceres Mardones, Marcelo Baeza, Alberto Dufey, Andrea Herrera Poblete, Daniela Catrileo, Joel Inzunza Leal, Rayén Daza Pilquinao, Kutral Vargas Huaiquimilla, Jens Benöhr, Cristian Vargas Paillahueque, Malte Seiwerth Produktionsleitung: Elena Conradt / ProduktionsDOCK Kamera: Alain Guillebeau, Nora Longatti Special thanks: Francisco Ríos Araya, David Stark, Liv Zumstein

Koproduktion: Schlachthaus Theater Bern, Südpol Luzern Partner: la_cápsula Zürich Unterstützt von: Kultur Stadt Bern, SWISSLOS/Kultur Kanton Bern, «COINCIDENCIA – Intercambios culturales Suiza-América del Sur» de la Fundación Suiza para la cultura Pro Helvetia, m2act – Das Förder- und Netzwerkprojekt des Migros-Kulturprozent für die Darstellenden Künste

Bild: Dia 1, Comunidad de conservación Namuncai © Aldir Polymeris